Floras Büro

April riss die Augen auf und erstarrte.
Meine Mutter? Mien ganzes Leben...keine Spur von ihr...keine Ahnung von meiner Vergangenheit...von meiner Herkunft...und jetzt?
Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme versagte; sie sah Flora nur sprachlos an.

Flora ließ ihre Hand wieder los um sie nicht zu sehr zu bedrängen. Sie verstand das das sehr viel auf einmal für ein junges Mädchen war und deswegen ließ sie ihr Zeit zum Nachdenken und zum Sprechen. Sie selbst musste sich auch über einiges im Klaren werden. Die ganze Zeit über sah sie April an und wartete ihre Reaktion ab.

"Du...ich meine....meine Mom....ich"; stotterte April, ihre Stimme war nicht mehr als ein leises Flüstern.
Das war tatsächlich etwas viel auf einmal. Die Worte waren alle wie ein Schlag auf sie zugekommen.
Ihre Gedanken bestanden aus unendlich vielen Puzzleteilen, die sich nicht zusammenfügen lassen wollten. Keines der Teile wollte mit einem anderen zusammenpassen. DOch durch ein ihr unbekanntes Gefühl, eine Regung in ihrem Bauch stand April auf und umarmte Flora. Tränen strömten über ih Gesicht.

Flora blieb zuerst der Mund offen stehen, weil sie mit allem nur mit keiner Umarmung gerechnet hatte. Sie schloss vorsichtig in ihre Augen und drückte April an sich als hätte sie endlich wieder einen Teil, der ihr die ganze Zeit über gefehlt hatte, in ihren Armen. Es fühlte sich an als wäre sie nun wieder vollständig. Sanft strich Flora über Aprils Haare und löste sich nach einiger Zeit wieder um ihr die Tränen aus den Augen zu wischen.

Egal wie viele Tränen Flora wegwischte, es kamen immer wieder welche nach. Sie kam sich vor wie ein Wasserfall und lachte leicht hysterisch. Soviel Glück aufeinmal hatte sie noch nie gefühlt; April sank auf den Boden und sah zu ihrer Mutter hoch. Das Bild war nur verschwommen durch die ganzen Tränen.
"Wo warst du nur", flüsterte sie.

April rührte Flora ebenfalls fast wieder zu Tränen. Das hatte sie anscheinend von ihr, diese Sensibilität. Vorsichtig griff sie April unter die Arme und hob sie wieder sanft auf das Sofa, damit sie nicht so zerstört vor ihr am Boden sitzen musste. Sie reichte ihr einige Taschentücher und antwortete mit liebevoller Stimme:" Ich war viel unterwegs und wollte dich immer wieder besuchen, doch mir war es verwehrt. Ich hätte dich unnötig in Gefahr gebracht."

"W-wovor bist du denn g-geflüchtet?"; klapperte April und wischte sich mit den Taschentüchern die Tränen weg.
Ihre Gedanken wollten sich immer noch nicht zusammenfügen, und sie gab den Versuch auf sie in eine richtige Reihenfolge zu bringen.

"Vor einem Kriegsherren, der meinen Heimatort zerstörte, deinen Vater tötete und dich ebenfalls töten wollte. Ich hatte zu viel Angst dich zu verlieren deswegen habe ich all das gemacht. Erst vor 2 Jahren habe ich angefangen dich zu suchen, aber durch deine Fähigkeit ist mir nun klar warum ich dich nie finden konnte."

"Tut mir Leid, dass ich es dir so schwer gemacht habe", sagte April und brachte ein schwaches Lächeln zusammen.
"W-wie war mein..Dad denn so?".

"Ach, wenn sich jemand entschuldigen muss, dann ich." Sie lächelte und antwortete dann auf ihre Frage:" Dein Vater war einfach nur traumhaft. Er war zärtlich und hat jedem zugehört, wenn ihn etwas bedrückte. Er war genauso ein Mensch wie du und hatte deine Augen, wie auch deinen Mund." Sie lächelte und fuhr fort:" Besonders an ihm war sein Durchhaltevermögen wie auch seine Leidenschaft." Nun fing sie an zu kichern und verstummte dann wieder. "Mit 15 heiratete ich ihn. Wir waren 4 Jahre lang zusammen und 5 Monate lang waren er, du und ich die perfekte glückliche Familie, es war eine wundervolle Zeit. Besonders waren auch unsere Flitterwochen, das war wohl der beste Urlaub den ich jemals hatte. "

April beruhigte sich allmählich.
"Das hört sich wundervoll an! Mein Vater war also auch ein Mensch? War es üblich so frph zu heiraten? Wohin ging denn die Reise?".
So viele Fragen brannten ihr auf der Zunge, die sie unbedingt stellen wollte.

"Ja, in unserem Dorf war es üblich. Ich war eigentlich schon sehr spät dran, aber als ich ihn das erste Mal sah verliebte ich mich sofort. Und ja, dein Vater war ein Mensch. Meine Reise ging in alle möglichen Orte auf dieser und in der Menschenwelt. Es war wirklich schön so viel zu sehen, doch ich war verzweifelt auf der Suche nach dir. Oft reiste ich an zwei Orte am selben Tag um dich irgendwie zu finden, aber jetzt...." Sie lächelte liebevoll.

"..hast du mich gefunden"; beendete April ihren Satz. "Ich bin froh, dass du mich gefunden hast. Doch..weshalb hast du dich dazu entschlossen hierher zu kommen und Lehrerin zu werden?".

Ich dachte mir hier würde ich endlich die schrecklichen Gedanken an meine Vergangenheit hinter mir lassen. Nachdem wirklich fast jeden Winkel nach dir abgesucht habe, dachte ich ich werde dich niemals finden und war kurz vorm Aufgeben. Zuerst wollte ich mich von hieraus noch ein wenig informieren, in Büchern oder bei Lehrern ob ich irgendetwas vegessen hatte, aber wie gesagt die Hoffnung war fast verschwunden. Und jetzt auf einmal stehst du hier. Ich..." Flora war noch immer sprachlos. Es war so eine Veränderung. Jahrelange Suche ergaben bei ihr nichts und jetzt genau wenn sie nicht mehr damit gerechnet hätte, steht ihre Tochter vor ihr und auch noch so eine schöne, begabte und intelligente. Ihre Augen strahlten und glitzerten gleichzeitig noch immer vor Tränen gerührt.

"Die verborgenen Winkel sind dir wohl verborgen geblieben", flüsterte April und lächelte ihre Mutter an.
Das Wort Mutter in ihren Gedanken zu gebrauchen war neu und etwas ungewöhnlich. Auch wenn sie ihre Pflegemutter sehr geliebt hatte, war das Gefühl mit ihrer richtigen ein völlig anderes.
"Aber mir ist klar, wieso du mich nie finden konntest".

Flora lächelte:" Du hast Recht, diese Möglichkeit habe ich nicht bedacht. Ich habe vermutet du wärst wie dein Vater ein Mensch ohne jegliche Fähigkeit und hoffte du könntest ein normales Leben leben, aber anscheinend war das ein großer Fehler. Du hast eben ein wenig von uns beiden aber ich bin so glücklich dich wieder zu haben, dich wieder zu umarmen und vor allem wieder die Hoffnung und die Lebensfreude. Ich danke dir dafür, April." Sie lächelte traute sich aber nicht sie nochmals in den Arm zu nehmen. Immerhin überforderte sie sicher immer noch die Situation.

Wieder kamen April die Tränen.
"Ich danke dir!!", sagte sie schniefend. "Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals meine wahre Mutter kennenlerne. Nunja ich dachte auch nicht dass ich..meine Pflegemutter wiedersehen werde..was ich immer noch denke".
Ich hoffe ich verletze sie dadurch nicht!

Wieder reichte Flora ihr ein Taschentuch doch diesmal nahm sie auch selbst eins und wischte sich über ihre glasigen Augen. "Vermisst du sie?" fragte sie in sanftem und angenehmen Ton. "Du kannst es mir ruhig sagen", ermutigte sie sie noch zusätzlich.

"Ein wenig schon"; gab April zu. "Weißt du...ich habe sie mit meinem Verschwinden überrascht und nicht vorgewarnt. ich habe sie sicher verletzt". Sie sah Flora bedauernd an.

Flora überlegte angestrengt. "Wenn du willst kann ich sie suchen oder sie herbringen. Dann kannst du ihr alles erklären und mit ihr sprechen. Glaub mir normalerweise finde ich Leute sehr gut, bis auf dich natürlich." Sie wollte für April alles tun, denn sie fühlte sich als hätte sie als Mutter vollkommen versagt.

"Danke...aber nein danke. Das weiß ich zu schätzen, aber das ist nicht nötig. Es ist vielleicht besser so", seufzte April schnitt eine Grimasse als sie zu lächeln versuchte.
"Welche Haarfarbe hatte...mein Vater?"; fragte sie plötzlich.

"Hmm...ich bin mir nicht ganz so sicher, ob es besser so ist. Sobald du Verlangen nach ihr hast, sag es mir. Ich werde alles tun was in meiner Macht steht, glaub mir." Sie lächelt und fügte hinzu:"Ach ja, April. Du musst mir keine deiner Gefühle vorspielen. Du musst in meiner Gegenwart nicht gezwungen lächeln du kannst jedem Gefühl freien Lauf lassen." Sie lächelte und antwortete dann auf diese unerwartete Frage:" Genau wie deine, brünett." Ihr Lächeln wurde größer.

"Danke", sagte April und dieses mal war das Lächeln echt.
"Okay ich merks mir...wirklich? Er hatte auch braunes Haar? Ich hätte zu gern ein Foto von ihm...".

"Dein Lächeln ist so hübsch und es erinnert mich so an deinen Vater." Sie lächelte verträumt vor sich hin, riss sich aber wieder zusammen. Das Wort Foto brachte Flora in Aufruhr in fröhliche Aufruhr. Hektisch stand sie auf und suchte verzweifelt in einer Schublade bei ihrem Schreibtisch herum. Erst nach ein paar Minuten, während sie schon völlig verzweifelt war, fand sie die beiden Bilder. Rasch kam sie wieder zu April und reichte sie ihr. Es waren eingerahmte Fotos worauf einmal April als Baby mit ihrem Vater zu sehen war und ein anderes mal wo Floras Ehemann alleine auf dem Foto war. Beide male strahlte genauso wie April gerade zuvor und beide male waren die Augen und die Haare zum Verwechseln ähnlich. Flora lächelte glücklich als sie die Fotos betrachtete und holte noch drei hervor wo sie selbst mit April drauf war, eines mit allen und eines wo ihre Ehemann und sie abgebildet waren. Das Foto betrachtete sie lange und eingehend. Lange hatte sie sie nicht mehr gesehen weil sie sich vor alldem verstecken wollte um den Schmerz in ihr nicht zuzulassen. Das Bild von ihnen beiden war einfach bezaubernd. Er sah sie an und sie sah in die Kamera. Er umarmte sie fest und küsste sie in ihr rotes Haar. Eng aneinander und tief verbunden wirkten die beiden.

April betrachtete die Bilder voller Rührung und lächelte glücklich als sie sie alle durchsah.
"Das bin ich? Das ist mein vater? Du...ihr...die Bilder sind wunderschön...es tut mir so leid für dich!", brachte sie hervor und wurde von dem Bild, auf dem sie alle drei, wie eine glückliche Familie, zu sehen waren in den Bann gezogen; sie konnte die Augen nicht abwenden und lächelte nur noch mehr.